Facebook am Zenit – der Anfang vom Ende?

Betrachtet man die ausgestorbenen sozialen Netzwerke „StudiVZ“, „SchülerVZ“ und „Wer kennt wen“, so stellt man folgende Parallelen fest:

  • Alle waren kostenlos (und damit ohne Einnahmequellen außer Werbung)
  • Der Aufstieg erfolgte jeweils ziemlich schnell (meist innerhalb von 2-3 Jahren). Danach folgte ein rasanter Abstieg.
  • Während der Zeit des großen Aufstiegs waren sie werbefrei oder zumindest sehr zurückhaltend in der Werbung. Die Nutzer hatten nicht den Eindruck, die Nutzung durch Konsum von Werbung zu bezahlen.

Die nachfolgenden Netzwerke lösten die Vorgänger ab, weil sie mehr Funktionalität boten. So konnte man bei Facebook Bilder hochladen, was wer-kennt-wen anfangs nicht leistete. Facebook hatte eine Chat-Funktion, und man konnte neben Gruppen auch Seiten anlegen. Mittlerweile kann man Mails versenden und empfangen, wenn auch eingeschränkt.

Beispielsweise sieht man die Entwicklung bei wer-kennt-wen an folgender Grafik ganz gut. Dargestellt ist die Entwicklung der Suchanfragen nach „wer kennt wen“ bei Google.

wer-kennt-wen

Der rote Pfeil kennzeichnet den Zeitpunkt der Übernahme durch RTL. Der Popularität hat das nur kurzfristig geholfen, danach folgte der steile Abstieg bis zur Bedeutungslosigkeit. Was RTL mit den Daten der Benutzer gemacht hat, ist nicht bekannt.

Nach einer Weile ebbte der Ansturm neuer Nutzer auch bei allen anderen Netzwerken ab und die Nutzerzahlen gingen schließlich zurück. Es trat eine gewisse Ernüchterung ein, weil man feststellte, dass nicht alle mitmachten und man nur einen Teil seiner „Freunde“ darüber erreichen konnte.

Auch bei StudiVZ und SchülerVZ war dies der Fall, was man an der Entwicklung der Google Suchanfragen erkennen kann.

StudiVZ - SchuelerVZ 2006-2012

blau: StudiVZ rot: SchülerVZ

Mit einer knappen Milliarde Benutzer hat Facebook quasi Allgegenwärtigkeit erreicht. Dennoch legt sich auch hier die Begeisterung, und die Nachfrage und damit die Nutzung nimmt langsam ab. Seit etwa einem Jahr ist, was die Google Suchanfragen angeht, keine nennenswerte Steigerung mehr erkennbar.

Facebook Suchanfragen 2006-2012
Facebook Suchanfragen 2006-2012

Facebook Suchanfragen bei Google 2006-2012

Wie konnte es so weit kommen?
Für die Benutzer stellte Facebook die Möglichkeit dar, mit „Freunden“ in Kontakt zu bleiben. Im Urlaub schnell ein Foto machen, hochladen und einen Kommentar dran schreiben – schon wusste der eigene Freundeskreis, was man so treibt und wo man gerade ist. Likes dokumentieren, dass den Freunden dies gefällt und einem selbst, dass man in der Gruppe angenommen wird. Facebook macht somit jedem zum Star, zumindest im Kreise seiner sogenannten Freunde.

Doch wie so oft im Leben wird das, was man täglich ohnehin hat, bald langweilig. So interessant sind meine Freunde dann doch nicht. Die Egozentriker gewinnen schnell Überhand und posten die Pinnwand voll. Zum 17. mal interessiert mich dann doch nicht, mit welcher Sorte Alkohol sich mein Nachbar zulaufen lässt. Und die tausende Katzen-, Hunde und sonstige Haustierfotos verlieren auch irgendwann ihre Wirkung.
Wer sich politisch engagiert, stellt schnell fest, dass die Facebook-Neuigkeiten überschwemmt werden von roten, schwarzen, grünen oder gelben Nachrichten – ja nach politischer Facon. Und auch der Voyeurismus hat seine Grenzen, denn der will immer Neues, und nicht die alten Kamellen der immer gleichen Leute.

Hat Facebook eine Chance?
Mittlerweile ist Facebook nicht mehr das engagierte, flippige Netzwerk mit den tollen Möglichkeiten, sondern ein Konzern, der von den monetären Interessen der Aktionäre getrieben wird.
Die Daten müssen schnell zu Geld gemacht werden, damit die Aktie, die nach ihrem Start einen grandiosen Abstieg hingelegt hat, wenigstens noch Dividende abwirft, bevor sie sich selbst auflöst. Ansonsten droht der sofortige finanzielle Abstieg und letztlich der Ruin.
Betrachtet man sich die Entwicklung der anderen Netzwerke, und gleichzeitig das immer mehr präsent werdende Google Plus, so ist es fraglich, ob Facebook auf Dauer eine Chance hat.
Die Börse straft ein Wackeln sofort und gnadenlos ab: Facebook ist mittlerweile am historischen Tiefstpunkt angelangt, Tendenz steil fallend. Bei einem aktuellen Kurs von 18,74 Euro kann man, sofern man Aktien gekauft hat, dies nur noch als Erfahrung abbuchen und aussteigen, wenn man weiteren Verlusten entgehen will (so meine persönliche Meinung; dies ist keine Aktienempfehlung).

Menschen suchen nach Erleichterung.

Diese kommt im Web vor allem durch Integration von Diensten. Aus einer Bahn-Seite wird eine Fahrplanauskunft, schließlich ein virtueller Fahrkartenschalter und mittlerweile braucht man nur noch ein Handy, um eine Fahrkarte zu buchen. Papier und Drucker ist Vergangenheit.
Ähnlich wird es auch den sozialen Netzwerken ergehen: Wenn ich irgendwo etwas lese, will ich es teilen können, per Mail oder Facebook oder Twitter oder Google Plus. Und vielleicht die Meinung meiner Freunde dazu einholen. Ich will genau wissen, wer meinen Urlaub miterlebt und ein paar Fotos als Postkarte an die Oma versenden. Das letzte, was ich will, ist als Gegenleistung Werbung konsumieren.
Wie auch immer die Entwicklung weitergeht: Die Integration wird den Erfolg ausmachen. Integration in andere Dienste und in das reale Leben. Bei beidem hat Facebook wenig zu bieten; hier wird sich wohl langfristig eher ein breit angelegtes Serviceangebot wie das von Google mit Mail, Plus, Bilder, Videos und und und durchsetzen. Der Anteil des sozialen Netzwerks spielt dabei eine untergeordnete Rolle und wird als zusätzliche Leistung in Anspruch genommen.

Enttäuschte Erwartung bei Google+
Als Google mit Google+ startete, waren die Erwartungen an Neues hoch – Millionen von Nutzern haben sich auf das Angebot gestürzt. Die Ernüchterung kam hier aber, als man feststellte, dass nichts wirklich Neues geboten wurde, und genauso schnell verschwand das Interesse.

googleplus-2011-2012
Google Plus Suchanfragen bei Google

Fazit

Der Anbieter mit einem möglichst geringen Werbeanteil, der auch ohne diese Leistung auf finanziell stabilen Füßen steht, wird sich letztlich durchsetzen. Ob Facebook als eigenständiges Netzwerk und Unternehmen bestehen bleiben kann, ist fraglich.
Denn wer will den schon für etwas bezahlen, was er nicht wirklich braucht? Und genau das ist Facebook.

Angaben zu den Grafiken:
Die Grafiken zu den Google Suchanfragen kommen von Google Insights or Search, einem Dienst, durch den Google das Suchvolumen nach eingebbaren Begriffen auswertet. Link zum Selberausprobieren: http://www.google.com/insights/search/

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